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Februar 2025

Wählen — Diese Empfehlung richtet sich insbesondere (aber nicht nur) an meine Nachbarn und Freunde in Deutschland, die sich am 23. Februar für «Jamaika», «Kenia», «Deutschland», «Dirndl», ein Viertes Reich oder eine andere Option entscheiden dürfen. Es ist unüberschätzbar wichtig, dass alle vernunftbegabten Wählerinnen und Wähler von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen. (Die anderen dürfen gerne zuhause bleiben.) Denn es stimmt zwar, was Winston Churchill sagte: dass die Demokratie die schlechteste Staatsform sei — mit Ausnahme aller anderen. Es stimmt aber auch, was Henry Mencken sagte: «Wenn die Demokratie sich fortlaufend perfektioniert, widerspiegelt die Präsidentschaft immer exakter die innere Seele des Volkes. Eines grossen und glorreichen Tages wird sich der Herzenswunsch der Leute erfüllen und das Weisse Haus mit einem wahren Idioten verziert sein.» Zum Glück gibt es zumindest theoretisch verschiedene Arten, die Demokratie zu perfektionieren. Für die, die’s interessiert, hier ein Vorschlag dazu.

Mandarinen essen (nicht Mandarin lernen) — Fremdsprachen-Lernen ist passé, und es kommt auch nicht wieder, da können die Zöglinge aus Zug und Zuoz sagen, was sie wollen. Zu gut ist die Simultanübersetzung mittlerweile, und bald werden wir mit keinem Kellner mehr sprechen, ohne einen Knopf im Ohr zu haben. Das gilt erst recht für China und Mandarin. Duolingo, vielen Dank, war schön mit dir. Komplett unterschätzt ist hingegen weiterhin und seit eh die Frucht namens Mandarine. Sie ist, finde ich, die Königin der Früchte (und übrigens, wusstet ihr’s?, die Mutter der Orange) – keine andere nimmt’s mit ihr in Sachen aromatischer Komplexität, Raffinesse und Einzigartigkeit auf. Leider haben ihr totale Ignoranten vor Jahrzehnten die Kerne weggezüchtet, und gleichzeitig auch ihr ganzes Aroma. Das Resultat nannten sie «Clementine» – und erbarmungswürdig ist es in der Tat. Ich kann mir fast nicht vorstellen, dass in China, dem Herkunftsland der Mandarine, irgendjemand sowas isst. Sobald sie mich simultan verstehen, frag ich mal ein paar Chinesen.

Mit Anna Jones kochen — Um noch mal auf die Mandarine zu kommen: Wer tatsächlich ein Problem mit Kernen in einer Frucht hat (wobei ich mich frage, ob diese Leute auch ein Problem mit Wolken am Himmel haben, oder mit Wellen auf dem Wasser), wer also mit den Kulturtechniken des Schluckens oder Spuckens nicht vertraut ist, kann immer noch den Milchreis kochen, den Anna Jones in ihrem Buch One Pot, Pan, Planet beschreibt. Dabei kommen von der Mandarine nur der Saft und die Zeste zum Einsatz. Das reicht, um ihn mit riesigem Abstand zum besten Milchreis zu machen, den ich je auf einem Löffel hatte.

 

Januar 2025

Moralisieren — Moral ist grad nicht besonders angesagt. Selbst wer sie hochhält, spricht lieber von Ethik, das klingt irgendwie zeitgemässer. Allerdings ist es nicht dasselbe: Ethik ist rein beschreibend, die wissenschaftliche Analyse sittlichen Verhaltens. Moral hingegen ist vorschreibend, sie sagt, was richtig und falsch ist, was wir tun oder lassen sollen. Insofern muss sich der Ethiker nichts vorwerfen lassen, die Moralistin hingegen schon: Sie riskiert, als «belehrend» beschimpft zu werden, als «moralinsauer» oder als «Gutmensch» mit chronisch erhobenem Zeigefinger. Diese Vorwürfe kommen zuverlässig von denen, die am meisten zu befürchten haben, wenn ihr fragwürdiges Verhalten als solches benannt wird: von selbstgerechten Egoisten, Zynikern und heimlichen Sittenstrolchen (Strolchinnen gibt es auch, aber weniger). Dabei ist das vielgescholtene Moralisieren mindestens die zweitnobelste menschliche Aktivität – gleich nach dem vorbildhaften Verhalten. Gutes selber zu tun ist zweifellos unsere erste moralische Pflicht. Wer andere zu Gutem anhält, also moralisiert, erzeugt aber womöglich die noch grössere Wirkung. Wir brauchen dringend mehr, nicht weniger Menschen, die sich das trauen.

Mammuts züchten — Das Mammut ist mein Lieblingstier (oder wäre, wenn es noch existieren würde). Entsprechend entzückt war ich, als ich in Sam Harris’ Podcast hörte, dass der amerikanische Unternehmer Ben Lamm das wollige Ungetüm wiederauferstehen lassen will — und zwar noch in diesem Jahrzehnt. Entzückt, und auch ein bisschen erschreckt, denn natürlich sind Eingriffe in den Genpool des Planeten mit mammutgrossen Unsicherheiten behaftet. Lamm aber meint es ernst, und, wie mir scheint, auch durchaus gut. Die Wiederansiedlung ausgestorbener Arten (er hat auch den tasmanischen Tiger und den Dodo im Blick) könnte laut ihm nicht nur spektakulär, sondern auch ökologisch sinnvoll sein. Aber hört selbst (englisch).

E-Mails blind öffnen — Ich bekomme etwa drei, vier Dutzend E-Mails pro Tag. Die meisten davon sind harmlos (am allerliebsten ist mir simpler Spam, den ich einfach wegklicken kann). Aber was, wenn es plötzlich eine Anfrage reinschneit, von der man weiss, dass sie jegliche Wochenplanung komplett auf den Kopf stellen wird? Wenn sich plötzlich das Strassenverkehrsamt Toulouse meldet? Oder der längst vergessene Schulkollege, der schreibt «Hey, wir sollten doch endlich wieder mal …»? Ich habe Angst vor solchen E-Mails, von richtig schlechten Nachrichten gar nicht zu sprechen. Und ich bin offenbar nicht allein damit: Einer aktuellen deutschen Studie zufolge fühlen sich mehr als 60 Prozent aller Leute von der täglichen E-Mail-Flut gestresst und gesundheitlich beeinträchtigt. Was tun? Unerwünschte Nachrichten und Anfragen lassen sich nicht einfach wegzaubern — irgendwann kommt der Moment, wo man sich ihnen stellen muss. Was sich aber wenigstens ausschalten lässt, ist der Stress, den wir empfinden, bevor wir sie öffnen. Meistens genügt nämlich schon der Name des Absenders oder die Betreffzeile, um uns den Schweiss auf die Stirn zu treiben. Wir sind vielleicht noch bei den ersten E-Mails des Tages, haben aber schon mit einem Auge gesehen, was 14 Zeilen weiter unten lauert. Und auf Zeile 22. Und auf Zeile 35 … Das macht uns derart kirre, dass wir uns nicht mal auf die aktuelle Nachricht konzentrieren können, geschweige denn auf etwas anderes. Ich habe mir deshalb den Trick angewöhnt, das E-Mail-Fenster an den linken Bildschirmrand zu schieben – so weit, dass ich nur noch das Sendedatum sehen kann, keinen Absender und keine Betreffzeile. So weiss ich, wie viele ungelesene Mails ich noch vor mir habe, aber nicht, von wem sie kommen oder was sie beinhalten könnten. Das E-Mail-Durchgehen fühlt sich damit an, wie sich früher das Durchgehen eines Stapels Briefe angefühlt hat: Man öffnet einen um den anderen, nicht wissend, was einen erwartet. Das schützt nicht vor unangenehmen Überraschungen, aber es nimmt einem die Angst davor, weil man sie nicht schon kommen sieht. Umso schöner ist es ausserdem, wenn mal eine schöne Überraschung dabei ist. Auch das kommt nämlich vor.

 

 

 

03.02.2025 | Niko Stoifberg
Kategorien: Kurzes | Schlagwörter: , ,